Arzneimittelverordnung

Es gäbe sicher erfreulichere Themen an dieser Stelle zu diskutieren, aber da die Möglichkeit – oder besser Unmöglichkeit – der Arzneimittelverordnung alle Patienten trifft, soll sie näher beleuchtet werden. Außer den Ärzten, Krankenkassen und dem verantwortlichen Gesetzgeber ist leider kaum jemand gut informiert!

Ich möchte Ihnen auf diesem Wege wichtige Informationen zu der ab dem 1.4.1999 bestehenden Neuregelung mit „Richtgrößen“ für die Verordnung von Medikamenten, Krankengymnastik und Lymphdrainage geben, die unter Umständen Einfluß auf Verordnung von bekannten und gewohnten Medikamenten haben kann.

Was bedeutet das?

Ich bekomme für die Verordnung von Medikamenten und Krankengymnastik/Lymphdrainage getrennt je eine feste Geldsumme („Richtgröße“) von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt, die im Quartalschnitt für die Verordnungen pro Patient und Quartal ausreichen muß. Die Höhe dieser Summen („Richtgrößen“) wechselt von Quartal zu Quartal,beläuft sich aber auf circa:

20  Euro: Arzneimittelverordnung für Selbst- u. Familienversicherte
40  Euro: Arzneimittelverordnung für Rentner
1  Euro: Verordnung von Krankengymnastik/Lymphdrainage unabhängig vom Versichertenstatus

Das bedeutet nicht, daß niemand ein Rezept im Wert über dem genannten Betrag bekommt, aber wenn ein Patient teure oder viele Medikamente braucht, muß die Überschreitung bei anderen Patienten eingespart werden, um den Durchschnitt einhalten zu können.

Ebenso muß bei krankengymnastischen Leistungen bei weniger schweren Fällen eventuell eingespart werden, um zum Beispiel einer Krebskranken die notwendige Therapie zu ermöglichen.

Eine Überschreitung der Richtgröße-Summe um bis zu 15% wird geduldet, bei Überschreitung zwischen 15 und 25% wird eine Prüfung meiner Verordnungsweise veranlaßt. Sollten Beanstandungen festgestellt werden, würde ich persönlich finanziell für die Überschreitung haften. Bei Überschreitungen über 25% wird mir keine Möglichkeit der Rechtfertigung mehr eingeräumt und ich muß die Differenz zwischen Verordnungskosten und Richtgrößen aus eigener Tasche zahlen.

Die Verordnung notwendiger Medikamente muß nach den wörtlich zitierten Vorgaben der Krankenkassen „Medizinisch richtig, ausreichend und wirtschaftlich “ sein…

Man zwingt mich also zu einer fast unmöglichen Leistung: Ich soll Ihnen natürlich einerseits alle Medikamente – auch eventuell teure – verordnen, die Sie brauchen. Andererseits soll ich – egal wie viele Medikamente dies sind – die vorgegebenen Grenzen nicht überschreiten.

Um allen Patientinnen auch in Zukunft die notwendigen Medikamente verordnen zu können, muß ich strenge Sparmaßnahmen verfolgen:

Sparmaßnahmen:

So ist eine Verordnung von Medikamenten für die Reiseapotheke, zur Verschiebung einer Blutung wegen Urlaubs oder aus rein vorsorglichen Gründen auf Kassenrezept nicht möglich.
Auch die Verordnung über den Bedarf eines Quartals hinaus – um Ihnen eventuell einen Besuch der Praxis zu ersparen – ist nicht mehr möglich.
Schließlich kann es notwendig werden, gewohnte Medikamente, für die es preisgünstigere und gleich wirksame Alternativen gibt, auszutauschen.

Ich bitte Sie um Verständnis für die notwendige Einschränkung, kann Ihnen aber versichern, daß wir auf diesem Wege versuchen, alle notwendigen Medikamente und Leistungen auch weiterhin als Kassenleistung für Sie bereitzuhalten.

Befindlichkeitsstörungen:

Medikamente gegen Krankheiten werden also weiterhin auch auf Kassenrezept verordnet. Anders verhält es sich bei sog. „Befindlichkeitsstörungen“. Hier kommt die Krankenkasse nicht mehr für Medikamentenkosten auf.

Nun mag es ja angehen, daß man die Aspirin-Brause-Tabletten nach einer durchzechten Nacht und der daraus folgenden „Befindlichkeitsstörung“ wohl auch dem Verursacher selbst anlastet, doch wer zieht die Grenze zwischen Erkältung als Befindlichkeitsstörung und einer beginnenden Lungenentzündung als ernst zu nehmender Erkrankung? Wo beginnt und wo endet dann die Leistungspflicht der Krankenkassen? Und wer zahlt die Zeche, wenn die Leistungsgrenzen verwischt sind? Der Arzt???

Irritationen:

Wenn nun gefrustete Patienten, die am eigenen Leibe die Sparmaßnahmen erfahren mußten, sich bei ihrer Krankenkasse erkundigen, „was Sache ist“, dann erhalten sie häufig die Auskunft „… selbstverständlich darf und muß der Arzt Ihnen alles – auch teure Medikamente – verordnen, was Sie brauchen.“ Es wird vergessen, auf die bestehenden Einschränkungen und die Vorschrift der „wirtschaftlichen“ und nicht unbedingt der bequemen Verordnung hinzuweisen. Es wird dadurch der Eindruck erweckt, der Arzt wolle seinem Patienten etwas vorenthalten.

Es sollte vielmehr darauf hingewiesen werden, daß kostenbewußte Verordnung im Einzelfall ein Gewinn an Verordnungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit in einem deutlich begrenzten Kostenrahmen bedeuten kann!

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