Vorgeburtliche Diagnostik in der Schwangerschaft / Fruchtwasser-Untersuchung

In Deutschland werden werdende Eltern immer älter ! Das heisst viele Paare bekommen ihre Kinder erst jenseits der 30-Jahres-Grenze.

Ab wann gibt es ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen beim ungeborenen Kind? Und was kann man tun, um eine solche Missbildung zu erkennen ?

Die Wahrscheinlichkeit einer genetisch, das heisst durch Chromosenstörung bedingten Fehlbildung nimmt mit dem Alter der Eltern langsam zu. Diese Zunahme geht bis zum 30. Lebensjahr der Frau langsam (liegt aber noch weit unter 1%), dann etwas schneller und bei 35 Jahren beträgt das Risiko 1%. Ab dann steigen die Missbildungsraten schneller und verdoppeln sich ca. alle 2 Jahre. Das Alter des Mannes scheint erst ab 45-47 Jahren eine Rolle bei der Auslösung von kindl. Fehlbildungen zu spielen.

Um Missbildungen zu erkennen gibt es zur Zeit 3 verschiedene Methoden:

„Ersttrimester-Screening“   (siehe auch Beitrag; „Nackentransparenz“)

Neben einer Blutentnahme bei der werdenden Mutter wird eine Ultraschall-Untersuchung des Fetus durchgeführt.

Vorteil: kein Risiko für das Kind durch die Untersuchung.
Nachteil: es können nur erhöhte Wahrscheinlichkeiten angegeben werden. Keine eindeutige Diagnose möglich.

Spezielle über das normale Mass hinausgehende Ultraschalluntersuchungen

Hierbei können körperliche Fehler wie Herzfehler, „offener Rücken“, Fehlen oder Fehlstellung von Gliedmassen, Missbildungen an Magen, Darm, Niere etc. festgestellt werden.
Vorteil: kein Risiko für das Kind durch die Untersuchung. Bei Vorliegen einer Störung ggf. Auswahl einer grossen Klinik mit angeschlossener Kinderklinik für die Entbindung, um sofort alle notwendigen Massnahmen durchführen zu können.
Nachteil: chromosomale Störungen mit geringen äusserlichen Veränderungen aber unter Umständen geistiger Behinderung werden nicht sicher erfasst. Der Zeitpunkt der Untersuchung (20.-23.Woche der Schwangerschaft) ist relativ spät.

Untersuchung des Fruchtwassers („Amniocentese“)

Ab der 15. Woche der Schwangerschaft kann unter Ultraschallkontrolle durch die Bauchdecke Fruchtwasser aus der Gebärmutter entnommen werden. Aus diesem Fruchtwasser und den darin schwimmenden Zellen werden die kindlichen Chromosomen sichtbar gemacht und auf Störungen hin untersucht.
Vorteil: sichere Diagnostik von chromosomalen Störungen.
Nachteil: relativ später Untersuchungszeitpunkt. Das Ergebnis kommt häufig erst nach 2 Wochen, so dass eine Schwangerschaftsunterbrechung bei schwer geschädigtem oder nicht lebenfähigem Kind erst spät (im 5. Monat) durchgeführt werden könnte. Eine körperliche Missbildung ohne chromosomale Veränderungen würde nicht entdeckt.

Wie man sieht, gibt es keine Untersuchung, die alle Vorteile ohne Risiken bieten kann. Ob und welche Untersuchung im Einzelfall sinnvoll ist, muss mit Arzt und werdenden Eltern besprochen werden.

Die pauschale und häufig zu lesende Empfehlung: „Ab 35 Jahren sollten Sie eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen lassen!“ ist so sicher nicht richtig. Vor der Entscheidung zu dieser Untersuchung, die immerhin auch bei sehr erfahrenem Untersucher in 0,7-1% der Fälle zur Fehlgeburt führen kann, muss vor allem die Frage geklärt werden, „was würden Sie tun, wenn bei Ihrem Kind ein Chromosomenschaden mit möglicher körperlicher oder geistiger Behinderung festgestellt würde?“ Würden Sie eine Schwangerschaftsunterbrechung anstreben ? Oder würden Sie das Kind trotzdem austragen und die geistige Behinderung akzeptieren ? Wer will entscheiden, ab welchem Grad von Behinderung ein Leben nicht mehr lebenswert wäre ?? Wenn für Sie eine Unterbrechung der Schwangerschaft nicht in Frage kommt, dann sollte man auch das Risiko der Fruchtwasserentnahme (aus der dann ja keine Konsequenz gezogen würde) eher nicht eingehen.

Insgesamt sollen diese Ausführungen deutlich machen, dass es keine Standardempfehlungen geben kann, sondern dass im Einzelfall nach ausführlichem Gespräch mit den werdenden Eltern entschieden werden sollte.

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