Rhesus-Unverträglichkeit in der Schwangerschaft

Eine Situation, die nur auftreten kann, wenn die werdende Mutter eine rhesus-negative Blutgruppe hat und das Kind in der Gebärmutter rhesus-positiv ist, führte früher häufig zur einer endlosen Reihe von Fehlgeburten nach einer ausgetragenen Schwangerschaft.

Ursache ist die Tatsache, dass Menschen, die „Rhesus-positiv“ sind, eine Eigenschaft der roten Blutkörperchen besitzen, die den „rhesus-negativen“ Blutkörperchen fehlt. Zu vergleichen wäre diese Situation etwa mit Kirschen, denen an der Oberfläche die Eigenschaft „Samenkörnchen“ fehlt, die bei Erdbeeren aber vorhanden ist.
Wenn ein Kind im Mutterleib nun eine Eigenschaft hat, die der Mutter fehlt, dann erkennt der mütterliche Organismus diese Kind als fremdes Gewebe und versucht Abwehrkräfte gegen den „Eindringling“ zu bilden. Kindliches Gewebe ist entgegen früherer Ansicht in der ganzen Schwangerschaft schon im mütterlichen Blut zu finden, so dass die Identifikation als Fremdmaterial möglich ist. Die Abwehrkräfte in Form sogenannter „Antikörper“ sind so klein, dass sie durch die Placenta auf dem gleichen Wege wie Nährstoffe und Sauerstoff in den Embryo gelangen und dort die kindlichen („fremden“) Blutkörperchen zerstören können.
Folge ist eine Blutarmut des Kindes in der Gebärmutter, die zu Sauerstoffmangel und Wasseransammlungen im kindlichen Gewebe und schliesslich zum Kindstod in der Gebärmutter führen kann.
Tritt die beschriebene Situation in der ersten Schwangerschaft einer Frau auf, dann bilden sich die Antikörper erst langsam im Laufe der Schwangerschaft, die Agression gegen das wachsende Kind ist gering und das Kind kann gesund geboren werden. In weiteren Schwangerschaften sind dann aber bereits zu Beginn der Schwangerschaft die Antikörper schon zahlreich vorhanden bzw. „erinnert“ sich der mütterliche Organismus an die Aggression in der vorangegangenen Schwangerschaft und beginnt früher und intensiver mit der Antikörperproduktion, so dass der Embryo früh attackiert wird und mit zunehmender Zahl der Schwangerschaften immer früher abstirbt.
Rätselhaft ist die Beobachtung, dass erstaunlicherweise nur in jedem 3. Fall mit rhesus-negativer Mutter und rhesus-positivem Embryo eine Antikörperbildung der Mutter erfolgt. Die Ursachen hierfür sind bisher nicht bekannt.

Erster Ansatz einer Therapie bei Kindern, die unter dieser Form der zunehmenden Blutarmut im Mutterleib litten, war die frühzeitige Entbindung und reichliche Blutzufuhr sofort nach der Geburt („Blutaustausch“). Damit ging man natürlich alle Risiken der Frühgeburt mit unreifen Körperfunktionen und Folgeschäden ein.
Dann gelang es, mit Medikamenten, die mütterliche Antikörper unschädlich machen, die Agression gegen das werdende Kind zu verhindern. Diese „Antikörper gegen Antikörper“ (Anti-D-Immunglobulin) werden heute sicherheitshalber allen rhesus-negativen Müttern in der Schwangerschaft als Injektion verabreicht, da man die Blutgruppe des Kindes im Mutterleib noch nicht kennt. Nach der Entbindung erhalten rhesus-negative Mütter, deren Kinder sich als rhesus-positiv herausstellen eine zweite Injektion dieses Medikamentes, um Antikörperbildung nach der Schwangerschaft als Reaktion auf die Blutdurchmischung von Mutter und Kind bei der Geburt zu verhindern. Wenn das Neugeborene rhesus-negativ wie die Mutter ist, wird keine Injektion mehr nötig.
Sollte eine solche Prophylaxe nicht durchgeführt worden sein und eine Blutarmut und „Bauchwassersucht“ des ungeborenen Kindes eintreten, dann kann man heute durch mehrfache Übertragung von Blut durch die mütterliche Bauchdecke und die Gebärmutter hindurch in die Nabelschnur des Kindes das Leben des Kindes retten. Diese Therapie erfordert grosse Erfahrung und manuelles Geschick und wird nur in wenigen spezialisierten Kliniken durchgeführt.

Durch konsequente Anwendung dieser „Rhesus-Prophylaxe“ sind Rhesus-Unverträg-lichkeiten und risikoreiche Bluttransfusionen in die Nabelschnur während der Schwangerschaft heute sehr selten geworden.

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